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Call for Papers | Privacy at Early Modern Courts

Posted in Calls for Papers by Editor on June 26, 2019

Next year at the University of Giessen (as noted at ArtHist.net):

„Privatheit“ in der höfischen Kultur der Frühen Neuzeit
Justus-Liebig-Universität Gießen, 28–30 September 2020

Proposals due by 25 August 2019

Veranstaltet vom Institut für Kunstgeschichte der Justus-Liebig-Universität Gießen, dem Institut für Kunstgeschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Historischen Institut der Philipps-Universität Marburg

Leitung: Dr. Kristina Deutsch (Münster), Prof. Dr. Eva-Bettina Krems (Münster), Prof. Dr. Sigrid Ruby (Gießen), Prof. Dr. Inken Schmidt-Voges (Marburg)

Das gesellschaftliche Leben an den Höfen der Frühen Neuzeit habe ein „Doppelgesicht“, schrieb einst Norbert Elias: Da ein „Berufsleben“ nicht existierte, gab es noch keine Trennung zwischen privatem und öffentlichem Dasein im modernen Verständnis. Heute sind wir, so scheint es, erneut konfrontiert mit einer Aufweichung der Grenzen zwischen diesen beiden Sphären, die mit dem Wandel der sozialen Medien und einer Neudefinition des Raumes (spatial turn) einhergeht.

Angesichts dieser hochaktuellen Problematik lohnt es, das Thema aus der historischen Perspektive zu beleuchten. Was bisher in der Forschung unter „Privatheit“ diskutiert wurde, adressiert ganz unterschiedliche Verständnisse und Konzepte, die wir kritisch vergleichen, hinterfragen und systematisieren wollen. Damit ist es möglich, jenseits problematischer Forschungsbegriffe zu einem frühneuzeitlichen Verständnis dessen zu gelangen, was wir unter Privatheit fassen (können). Insbesondere für die höfische Kultur besteht Nachholbedarf, da die Diskussion bislang geprägt war von der eingangs angesprochenen, grundsätzlichen Infragestellung der Existenz höfischer Privatheit. Demgegenüber steht die Annahme eines anthropologischen Grundbedürfnisses nach Rückzug und Muße. Denn der stets gespannte Bogen reißt auch zu Hofe irgendwann. So betonte bereits Baldassare Castiglione im frühen 16. Jahrhundert die Notwendigkeit fürstlicher Entspannung. Zahlreiche Rückzugsräume zeugen von dieser Komplementarität von otium und negotium, von Repräsentation und Intimität, von Öffentlichkeit und Privatheit.

Die interdisziplinär ausgerichtete Tagung nimmt den soziokulturellen Raum des frühneuzeitlichen Hofes in den Blick. Hier sind höchst ausdifferenzierte Formen der Sichtbarmachung und Instrumentalisierung von Nähe und Distanz zu beobachten, die es als sinnvoll erscheinen lassen, von einer lediglich graduellen Opposition von privat und öffentlich auszugehen und so die dialektische Qualität des Begriffspaars beizubehalten. Handlungen, Räume und Darstellungen richten sich an eine von Fall zu Fall zu definierende, mehr oder weniger eingeschränkte Öffentlichkeit, und sie gestalten den höfischen ‚Nahraum‘, um Herrschaftsstrukturen zu stabilisieren, politische Ambitionen zu rechtfertigen etc. Diese Inszenierungen von Intimität, Nichtzugänglichkeit, Unverfügbarkeit, Exklusivität, Innerlichkeit, Luxus oder—im Gegenteil—Schlichtheit stehen im Zentrum der Tagung, die nach den individuellen (und zugleich strukturbildenden) Zielen, Adressierungen und Funktionsweisen von „Privatheit“ am Hofe fragt. Wer darf überhaupt (im oben erläuterten Sinne) privat sein, und wem nützt die Privatheit? Wen schließt sie wann und wie aus?

Einen Interessenschwerpunkt bildet die Performanz des Privaten, die sich innerhalb der Leerstellen des offiziellen Zeremoniells entfaltet. Sie verfestigt sich in Form von Räumen, Texten und Objekten (Miniaturporträts, abschließbare Möbel, Kleidung etc.), deren besondere Eigenschaften—Kleinheit, Verknappung, Enge, Verschachtelung—und Gebrauch sowie ihre Lage im innersten, geschützten Bereich zur körperlich-emotionalen Erfahrung höfischer Privatheit gehören. Gerade in der ambivalenten Sphäre höfischer Rückzugsorte entstehen schon im 16. Jahrhundert geistige und künstlerische Freiräume. „[S]olo in luoghi appartati e privati”, „nur in entlegenen und privaten Räumen“, so Gabriele Paleotti 1582, seien bestimmte Innovationen möglich. Ausgerechnet in der Enge und Abgeschiedenheit des Privaten wird in der mentalen Konzentration die intellektuelle Öffnung möglich.

Hinterfragt werden soll das Verhältnis der „verspielten Privatheit“, die Jürgen Habermas für den französischen Adel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts feststellte, zur „dauerhaften Intimität des neuen Familienlebens“. Denn Habermas’ auf die bürgerliche Öffentlichkeit bezogenes Konzept wurde zumindest im deutschsprachigen Raum längst von komplexeren Modellen abgelöst. Hypothetisch zu erwägen ist eine ‚Veradeligung‘ des Bürgertums, also die Übernahme adeliger Modelle durch das Bürgertum. Die gesellschaftlichen Umbrüche am Ende des Ancien Régime sollen deshalb noch mit in den Blick genommen, d.h. der Untersuchungszeitraum bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gefasst werden. Den Anfang bildet das 16. Jahrhundert mit der Residenzenbildung und der Ausdifferenzierung von Innenraumfolgen im Schloss, die als Handlungsräume die zeremonielle Bedeutung von Nähe und Distanz erfahrbar machen.

Erwünscht sind Beiträge aus allen Bereichen der Hofforschung und allen historischen Disziplinen. Mögliche Themenfelder sind:
Informalität und Individualität — Welche Gestaltungsweisen konstituieren den informellen Raum, welche Regeln herrschen in ihm, wie wird (vermeintliche) Privatheit organisiert? Warum und mit welchen Mitteln wird das Private instrumentalisiert? Inwiefern können sich jenseits des Zeremoniells Individualität und Kreativität ‚frei‘ entfalten? Oder gibt es vielmehr einen ‚Kanon‘ des Privaten?
Schutz und Sicherheit — Die Kleinheit und hintere Lage des Kabinetts, die verrätselte Sprache und Vertraulichkeit eines Briefes, die Abschließbarkeit eines Möbels: Welche Medien erzeugen Sicherheit, welche Mittel stellen diese her bzw. inszenieren sie, und warum muss das Private geschützt werden? Hat höfische Privatheit eine Schutzfunktion, wer profitiert davon, und was wird geschützt?
Männlichkeit und Weiblichkeit — Gibt es spezifisch männliche, spezifisch weibliche Privatheit, und wie manifestiert diese sich jeweils? Inwiefern ist das höfische Frauenzimmer ein „privater“ Bereich? Ist das Weibliche ein Mittel der Inszenierung von Privatheit? Wie sieht im Gegensatz dazu weibliche Öffentlichkeit aus?
Begriffsgeschichten und Definitionen — Wie wurde der Terminus „privat“ in der Frühen Neuzeit definiert? Was verstand die Zeremonialwissenschaft des 18. Jahrhunderts unter „Campagne Ceremoniel“? Was galt als ein Lustschloss, und wer hatte dort Zutritt?

Geplant sind Vorträge zu je dreißig Minuten. Nachwuchswissenschaftler*innen (Promovierende und Postdocs) werden ausdrücklich zur Bewerbung ermutigt. Einzureichen sind ein tabellarischer Lebenslauf mit Publikationsliste und ein kurzes Exposé (max. 3000 Zeichen inkl. Leerzeichen), das den Vortragsvorschlag darlegt und einen vorläufigen Titel nennt. Wir bitten um die Einreichung Ihrer Bewerbung (ein einziges pdf-Dokument!) bis zum 25. August 2019 an das Sekretariat des Instituts für Kunstgeschichte der JLU: Barbara.Stommel@kunstgeschichte.uni-giessen.de. Fragen beantworten wir gerne via kristina.deutsch@uni-muenster.de.

 

Call for Articles | The Materiality of Festivity

Posted in Calls for Papers by Editor on June 26, 2019

From H-Material-Culture:

Special issue of the Journal of Festive Studies on “The Materiality of Festivity”
Articles due by 31 December 2019

In previous issues, the Journal of Festive Studies explored the emerging academic sub-field of festive studies (broadly defined) and the politics of carnival. For this issue, we follow Peter-Paul Verbeek’s advice and look at “the things themselves,” i.e. at the material culture in which carnivals and other festivities are rooted (Verbeek, 2005).

The 1996 inaugural editorial for the Journal of Material Culture defined Material Culture Studies as “interdisciplinary research in ways in which artifacts are implicated in the construction, maintenance and transformation of social identities” and as the “investigation of the relationship between people and things irrespective of time and place” (Editorial,1996). More recent studies have expanded the scope of the discipline to look at the agency of things (Latour, 2005), thus rejecting “any absolute ontological distinction between humans and things” (Roberts, 2017). The field has also seen a shift from the exclusive focus on consumption to an investigation of the production of objects and materials (Adamson, 2013 and 2018 and Smith, 2012). Other approaches include investigations of ways in which the exchange of objects shapes social life and experiences; how that process is negotiated intra-cultures (Appadurai, 1986); and the environmental impact of those objects and materials (Clarke-Hazlett, 1997, Ingold, 2012, and Morton, 2013). Furthermore, there has been a move to understand the materiality of things beyond finished manufactured products, or the raw matter of which these objects consist of, in all of its socio-historical and political implications (Lange-Berndt, 2015, Ingold, 2012, and Rosler et al., 2013). Scholars of festivities have also paid attention to the “things” that constitute the phenomena they investigate, whether by poetically capturing in photos and in text the embodiment of Caribbean history and identity in Trinidadian mas (Adonis Browne, 2018); by analyzing how banners and flags display identity through color in Belfast’s Orange Parade (Jarman, 2003); or by questioning why we consume (or abstain from consuming) certain foods during festivities (Avieli, 2009).

Building on such scholarship, and taking the material record of celebrations from all time periods and geographical areas as a starting point, this special issue of Journal of Festive Studies seeks to explore the following themes/questions:

• The things themselves: costumes, jewelry, makeup, musical instruments, the body itself, posters, flags and banners, float designs, paintings, sheet music, photographs, food, etc. What does the material record of festivities include?
• The preservation of that material culture: What are the politics of curating and what are the material constraints bearing on archival sites?
• Objects as part of a mise-en-scène of identity: How is identity created-recreated-negotiated through masking, costumes, makeup, etc.? How is gender and sexual normativity created/expressed/challenged through interactions with objects in celebrations?
• Imagining communities: What is the role of these objects/materials/artifacts in the creation of imagined communities during these celebrations? How do individuals and communities relive and reinvent traumatic pasts through rituals and the artifacts used to physically manifest them?
• The evolution and circulation of things: How does the material record of celebrations change over time, reflecting different socio-historical moments? How do geopolitical realities, global capitalism, and the flow of ideas and things affect the material record of celebrations?
• What role do these objects play in current debates on decoloniality and cultural appropriation?
• The environmental problems caused by the objects/materials used in festivities (such as the plastic pollution of Mardi Gras beads in the U.S. Gulf Coast) and the environmental solutions encountered by festival organizers and revelers (such as the ban on glitter in Sydney’s LGBTQ Mardi Gras.)

Contributors may also choose to focus on some of the methodological issues faced by scholars researching festivities across the globe and how does material culture feature in these processes. For instance, how does equipment affect the way the researcher interacts with their subject? What sorts of objects, outfits, and accouterments are used in the researcher’s “performance of self” during fieldwork and how might that affect their relation to the people and environment they are observing?

In line with the interdisciplinary nature of the Journal of Festive Studies, we welcome submissions of original research and analysis rooted in a variety of fields including (but not limited to): social and cultural history, anthropology, archeology, cultural geography, art history, architecture, decorative arts, technology, folklore, musicology, consumption studies, labor studies, museum studies, and design studies. In addition to traditional academic essays, we invite contributions that incorporate digital media such as visualizations, interactive timelines and maps, video and imagery.

Documents should be between 6,000 and 12,000 words and should be uploaded by December 31, 2019 to the journal’s website, along with the author’s bio and an abstract of c. 250 words. Please consult the author’s guidelines under “Submissions” on the website for further submission specifications, such as citation methods. Contact Isabel Machado (isabelmchd@gmail.com or machadoisabel) with any questions.

Works Cited

“Editorial.” Journal of Material Culture 1, no. 1 (March 1996): 5–14.
Adamson, Glenn. The Craft Reader. London: Bloomsbury Visual Arts, 2010.
Adamson, Glenn. The Invention of Craft. London: Bloomsbury Visual Arts, 2013.
Appadurai, Arjun. “Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy.” Theory, Culture & Society 7, no. 2–3 (June 1990): 295–310.
Avieli, Nir. “‘At Christmas We Don’t Like Pork, Just Like the MacCabees’: Festive Food and Religious Identity at the Protestant Christmas Picnic in Hoi An.” Journal of Material Culture 14, no. 2 (June 2009): 219–41
Bauer, Arnold J. Somos lo que compramos: historia de la cultura material en América Latina. México: Taurus, 2002.
Browne, Kevin Adonis. High Mas: Carnival and the Poetics of Caribbean Photography. Jackson: University Press of Mississippi, 2018.
Clarke-Hazlett, Christopher. “Interpreting Environmental History through Material Culture.” Material Culture Review / Revue de la culture matérielle, [S.l.], June 1997.
Csikszentmihalyi, Mihaly, and Eugene Rochberg-Halton. The Meaning of Things: Domestic Symbols and the Self. Cambridge: Cambridge University Press, 2002.
Ingold, Tim. “Toward an Ecology of Materials.” Annual Review of Anthropology 41 (2012): 427–42.
Jarman, Neil. “Material of Culture, Fabric of identity.” In Material Cultures: Why Some Things Matter, edited by Daniel Miller, 121–45. London: Routledge, 2003.
Lange-Berndt, Petra. Materiality. London: Whitechapel Gallery, 2015.
Latour, Bruno. Reassembling the Social: An Introduction to Actor-Network-Theory. Oxford: Oxford University Press, 2005.
Madison, D. Soyini. Critical Ethnography: Method, Ethics, and Performance. Los Angeles, CA: Sage, 2012.
Roberts, Jennifer L. “Things: Material Turn, Transnational Turn.” American Art 31, no. 2 (Summer 2017): 64–69.
Rosler, Martha, Caroline Walker Bynum, Natasha Eaton, Michael Ann Holly, Amelia Jones, Michael Kelly, Robin Kelsey, Alisa LaGamma, Monika Wagner, Oliver Watson, and Tristan Weddigen. “Notes from the Field: Materiality.” The Art Bulletin 95, no. 1 (2013): 10–37.
Smith, Pamela H. “In the Workshop of History: Making, Writing, and Meaning.” West 86th: A Journal of Decorative Arts, Design History, and Material Culture 19, no. 1 (2012): 4–31.
Verbeek, Peter-Paul. What Things Do: Philosophical Reflections on Technology, Agency, and Design. Penn State: Penn State University Press, 2005.

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